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Der Preis einer Call-Option

Zur Berechnung des Preises einer (europäischen) Call-Option müssen daher als erstes die entsprechenden Randbedingungen festgelegt werden. Zum Fälligkeitstermin gilt $C(x,T)$ = max$(x-x_s,0)$. Bei einem Underlyingkurs von 0 ist es nie lohnend das Optionsrecht wahrzunehmen. Da weiterhin ein Kurs von 0 unter einem log-normalem Model sich nicht mehr verändert gilt also für alle Zeiten $C(0,t)$ = 0. Im Limes ${x\rightarrow \infty}$ lohnt es sich die Option einzulösen. Bei europäischen Optionen ist dies jedoch nur zum Fälligkeitstermin möglich. Berücksichtigung des Zinsfaktors liefert $\lim_{x\rightarrow \infty} C(x,t)$ = $\lim_{x\rightarrow \infty} \left(x-x_se^{-r (T-t)}\right)$ = $x$.

Um die Black-Scholes-Differentialgleichung (72) zu vereinfachen, substituieren wir nun

1.
$x = x_s e^y$, um von log-normal zu normalverteilten Größen überzugehen, d.h um die Potenzen von $x$ vor den Ableitungstermen zum Verschwinden zu bringen,
2.
$t = T-\frac{2\tau}{\sigma^2}$, um eine dimensionslose Variable $\tau$ zu bekommen und um das Endwertproblem bzgl. $t$ in ein Anfangswertproblem bzgl. $\tau$ zu überführen,
3.
sowie $C(x,t) = x_s v(x,\tau)$ um eine dimensionslose Preisvariable zu erhalten.
Gl. (72) wird nun
\begin{displaymath}
\frac{\partial v}{\partial \tau}
=
\frac{\partial^2 v}{\partial y^2}
+ (k-1) \frac{\partial v}{\partial y} - kv
,
\end{displaymath} (73)

mit nur einem dimensionslosen Parameter $k= \frac{2 r}{\sigma^2}$, und der Randbedingung
\begin{displaymath}
v(y,0) = {\rm max}(e^x-1,0)
.
\end{displaymath} (74)

Um neben der Zeitableitung nur einen Term mit zweiter Ableitung überzubehalten verwenden wir den Ansatz,

\begin{displaymath}
v(y,\tau) = e^{\alpha y + \beta \tau } u(y,\tau)
.
\end{displaymath} (75)

Eingesetzt in Gl.(74) entsteht,
\begin{displaymath}
\beta u + \frac{\partial u}{\partial \tau}
=
\alpha^2 u + 2 ...
...left( \alpha u + \frac{\partial u}{\partial y} \right) - k u
.
\end{displaymath} (76)

Die niedrigeren Ableitungsterme verschwinden, wenn
$\displaystyle \beta$ $\textstyle =$ $\displaystyle \alpha^2 + (k-1)\alpha - k$ (77)
$\displaystyle 0$ $\textstyle =$ $\displaystyle 2 \alpha + (k-1)
.$ (78)

Dies läßt sich auflösen nach $\alpha$, $\beta$
$\displaystyle \alpha$ $\textstyle =$ $\displaystyle - \frac{1}{2} (k-1),$ (79)
$\displaystyle \beta$ $\textstyle =$ $\displaystyle - \frac{1}{4} (k+1)^2
,$ (80)

so daß also bei der Wahl von $u$ mit
\begin{displaymath}
v =
e^{-\frac{1}{2}(k-1)y -\frac{1}{4} (k+1)^2\tau}u(y,\tau)
,
\end{displaymath} (81)

aus (72) die Diffusionsgleichung wird
\begin{displaymath}
\frac{\partial u}{\partial \tau}
=
\frac{\partial^2 u}{\partial y^2}
.
\end{displaymath} (82)

Hierbei ist $-\infty<x<\infty$, $\tau>0$, und es gilt die Randbedingung
\begin{displaymath}
u(y,0) = {\rm max}
\left(
e^{\frac{1}{2}(k+1)y}
-e^{\frac{1}{2}(k-1)y}
\right)
.
\end{displaymath} (83)

Die Lösung der Diffusionsgleichung ist wohlbekannt (Nachprüfen durch Einsetzen, oder alternativ, durch Lösen durch Fouriertransformation). Für ein Anfangswertproblem lautet die Lösung der Diffusionsgleichung

\begin{displaymath}
u(y,\tau )
=
\frac{1}{2\sqrt{\pi\tau}}
\int_{-\infty}^\infty \!ds 
u(s,0)   e^{-\frac{(y-s)^2}{4 \tau }}
,
\end{displaymath} (84)

wobei $u(s,0)$ die Anfangswertverteilung aus Gl. (84) bezeichnet. Die max--Funktion kappt die untere Integrationsgrenze, und das resultierende Integral ist uns bei der Behandlung des Zuganges von Bouchaud-Sornette-Potters schon begegnet. Rückführung auf das Integral $G(a)$ in (87) und Rücksubstitution der Orginalvariablen liefert genau wie dort die Black-Scholes-Formel für eine europäische Call-Option,
\begin{displaymath}
C(x,t)
=
xG\left(\frac{y_-}{\sigma \sqrt{T-t}}\right)
-
x_s e^{-r(T-t)}
G\left(\frac{y_+}{\sigma \sqrt{T-t}}\right)
,
\end{displaymath} (85)

mit
\begin{displaymath}
G(a) =
\frac{1}{\sqrt{2\pi}}
\int_a^\infty \!dx  e^{-\frac{1}{2}x^2}
,
\end{displaymath} (86)

und
$\displaystyle y_-$ $\textstyle =$ $\displaystyle \log x_s - \log x - r(T-t) - \frac{1}{2}\sigma^2 (T-t),$ (87)
$\displaystyle y_+$ $\textstyle =$ $\displaystyle \log x_s - \log x - r(T-t) + \frac{1}{2}\sigma^2 (T-t)
.$ (88)

Die Abhängigkeiten des resultierenden Preises von den verschiedenen Parametern haben wir bereits ausführlich in der letzten Vorlesung diskutiert.

Wir fassen abschließend nocheinmal die Voraussetzungen, die dem Ansatz von Black-Scholes zugrunde liegen, zusammen:

1.
Keine Arbitragemöglichkeit
2.
Log-normal verteilte Aktienkurse
3.
Zinsrate $r$ ist bekannt
4.
Volatilität $\sigma$ ist bekannt
5.
Keine Transaktionskosten
6.
Kontinuierliches Handeln möglich
7.
Shortselling ist erlaubt
8.
Aktien sind beliebig teilbar
9.
Keine Dividenden

Mehr pragmatisch orientierte Informationen zum Handel mit Derivaten findet man in [14,3,4]. Eine Sammlung von Optionspreisformeln (ohne Herleitungen) für verschiedenartigste Optionen ist [10].

Abschließend bemerken wir noch, daß die Black-Scholes-Formel von einer Kenntnis der Volatilität $\sigma$ ausgeht. Empirisch zugänglich sind jedoch nur die historischen Volatilitäten, wie sie den Kursentwicklungen der Vergangenheit entnommen werden können. Die von den Marktteilnehmern für die Zukunft erwarteten Volatilitäten können davon jedoch wesentlich verschieden sein. In der Tat, unterscheiden sich die historischen Volatilitäten deutlich von den ``impliziten'' Volatilitäten, d.h. denjenigen die sich aus den tatsächlichen Optionspreisen unter Annahme der Black-Scholes-Formel ergeben [6,5]. Diese Abweichungen zwischen historischen und impliziten Volatilitäten können teilweise auch als Korrekturen des Marktes aufgefaßt werden, die beispielsweise der Abweichung der tatsächlichen Verteilung der Aktienkurse (z.B. lange Schwänze) von der der Black-Scholes-Formel zugrunde liegenden Log-Normal-Verteilung Rechnung tragen.


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Joerg_Lemm 2000-02-25