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Erwartungswertprinzip und ``No-Arbitrage''-Prinzip

Ist ein Handel mit dem Underlying eines Termingeschäftes nicht möglich, so ergibt sich aus einem Anfangsvermögen $W_0$ zur Zeit $t_0$ für ein Termingeschäft mit der Vermögenswirkung $W_T$ zur Zeit $t_N$ ein Gesamtvermögen $W(t_N)$ = $W_N$ zur Zeit $t_N$ von

\begin{displaymath}
W_N =
\underbrace{
W_0(t_N)
}_{\mbox{Aufgezinstes} \atop \m...
...{\mbox{Gewinn/Verlust aus} \atop \mbox{Termingesch\uml aft}}
.
\end{displaymath} (1)

Für ein Forward hatten wir beispielsweise gesehen, daß für den Halter der Short-Position
\begin{displaymath}
W_T (t_N) = F-x_N
,
\end{displaymath} (2)

wobei $F$ = $F(t_N)$ den Kaufpreis representiert zu dem der Halter der Short-Position sich zur Zeit $t_0$ verpflichtet hat das Underlying zur Zeit $t_N$ zu kaufen. Die Variable $x_N$ bezeichnet den tatsächlichen Preis des Underlyings der sich zur Zeit $t_N$ ergeben hat. Nehmen wir für risikolose Anleihen eine Zinsrate an von $r$ für die Zeit $\tau$ = $T/N$, so ergibt sich nach $N$ Zeitschritten
\begin{displaymath}
W_0 (t_N) = W_0(t_0)(1+\rho)^N
,
\end{displaymath} (3)

mit $\rho $ = $r\tau$ bei konstantem $\tau$ = $\Delta t_k$ = $t_{k+1}-t_k$. Eine naheliegende Bedingung an einen fairen Preis ist die Forderung, daß keine Partei durch das Termingeschäft bevorzugt oder benachteiligt werden soll. Dies bedeuted das das Vermögen $W_N$ zur zeit $T_N$ nicht durch Abschluß des Geschäftes beinflußt werden darf, also
\begin{displaymath}
0 = \Delta_\rho W_N = W_N - (1+\rho)^N W_0
,
\end{displaymath} (4)

wobei $(1+\rho)^N W_0$ dasjenige Vermögen darstellt, was sich ohne Termingeschäft zur Zeit $T_N$ ergäben hätte. Für den (unrealistischen) Fall eines Forwards auf ein Underlying mit deterministischer Zeitentwicklung ergäbe sich beispielsweise das triviale Resultat,
\begin{displaymath}
W_N = W_0 (1+\rho)^N
\Rightarrow
F(t_N) = x_N
.
\end{displaymath} (5)

Typischerweise ist $x_N$ jedoch eine Zufallsgröße. Dann führt die Forderung, daß keine Partei im Mittel bevorzugt oder benachteiligt werden soll, zu,
\begin{displaymath}
0 = <\Delta_\rho W> = <W_N> - W_0 (1+\rho)^N
.
\end{displaymath} (6)

Im Falle eines Forwards folgt also
\begin{displaymath}
<W_N> = W_0 (1+\rho)^N
\Rightarrow
F(t_N) = <x_N>
.
\end{displaymath} (7)

Diese Methode einen Preis für ein Termingeschäft zu berechnen nennt sich deshalb Erwartungswertprinzip (Bachelier).

Sobald das Underlying aber handelbar ist, kann sich die Situation wesentlich verändern. Beschränken wir uns auf den Handel mit dem Underlying des betrachteten Termingeschäftes, so können wir eine Handelstrategie kennzeichnen durch die Anzahl $\phi_k$ der zur Zeit $t_k$ gehaltenen Underlyinganteile zum momentanen Preis von $x_k$. Bezieht man den Gewinn bzw. Verlust aus dem Handel mit dem Underlying in die Vermögensbilanz mit ein, so verallgemeinert sich Gl. (1) zu,

\begin{displaymath}
W_N =
\underbrace{
W_0(t_N)
}_{\mbox{Aufgezinstes} \atop \m...
...{\mbox{Gewinn/Verlust aus} \atop \mbox{Termingesch\uml aft}}
.
\end{displaymath} (8)

Den Gewinn bzw. Verlust aus dem Handel mit dem Underlying haben wir bereits im Kapitel über unbedingte Termingeschäfte berechnet,
\begin{displaymath}
W_\phi (t_N)
=
(1+\rho)^N\left(
\sum_{k=0}^{N-1}\phi_k [\wi...
...\sum_{k=0}^{N-1}\phi_k [x_{k+1}-(1+\rho)x_k](1+\rho)^{N-k-1}
,
\end{displaymath} (9)

bezogen auf die Zeit $t_N$ und mit diskontierten (auf $t_0$ abgezinsten) $\widetilde x_k$ = $x_k (1+\rho)^{-k}$. Verschiedene Handelstrategien $\phi$ = $\{\phi_k\vert\le k \le N-1\}$ führen jetzt im allgemeinen zu einer unterschiedlichen Verteilung $p(W_N)$. Die Veränderung des Vermögens $\Delta_\rho W_N$ im Zeitraum $T$ enthält zwei Zufallsanteile, nämlich
$\displaystyle \Delta_\rho W_\phi$ $\textstyle =$ $\displaystyle W_\phi(t_N) - W_\phi(t_0)(1+\rho)^N,$ (10)
$\displaystyle \Delta_\rho W_T$ $\textstyle =$ $\displaystyle W_T(t_N) - W_T(t_0)(1+\rho)^N
.$ (11)

Zur Bestimmung eines Preises für ein Termingeschäft müssen wir uns also als erstes auf eine (Hedging-)Strategie $\phi$ festlegen. Ähnlich zu unserem Vorgehen bei Portfolio-Optimierung besteht nun eine Möglichkeit darin auf das Prinzip der minimalen Varianz zurückzugreifen. In diesem Falle verstehen wir als optimale Strategie dasjenige $\phi^*$, welches die Varianz der Vermögensänderung minimiert,
\begin{displaymath}
\phi^* = {\rm argmin}_\phi <\left[\Delta_\rho W_N(\phi)\right]^2\!>
.
\end{displaymath} (12)

Anstatt den Erwartungswert wie bei der Portfolio-Optimierung zu fixieren, können wir ihn nun zur Bestimmung eines fairen Preis verwenden indem wir fordern,
\begin{displaymath}
0 = <\Delta_\rho W_N(\phi^*)> = <W_N(\phi^*)> - W_0 (1+\rho)^N
,
\end{displaymath} (13)

also
\begin{displaymath}
<\Delta_\rho W_{\phi^*} > + <\Delta_\rho W_T>
.
\end{displaymath} (14)

Üblicherweise nehmen wir an, daß die Akteure keine marktbeherschende Stellung einnehmen, d.h., daß die Handelstrategie $\phi$ den Preis $x_N$ nicht beeinflußt, also $\Delta_\rho W_T \ne \Delta_\rho W_T(\phi)$.

Im Falle eines Forward fanden wir

\begin{displaymath}
W_\phi
= - W_T
= F-x_N
= F-x_0(1+\rho)^N -W_{\phi=1}
,
\end{displaymath} (15)

(wobei $F$ = $F(t_N)$, $W_\phi$ = $W_\phi(t_N)$, $W_T$ = $W_T(t_N)$ und $W_\phi(t_0)$ = 0, $W_T(t_0)$ = 0), also
\begin{displaymath}
W_{\phi}
= x_N-F
= W_{\phi=1}+x_0(1+\rho)^N - F
.
\end{displaymath} (16)

Damit ist also bei der Wahl $\phi^*_k = 1$ die Varianz $<\left[\Delta_\rho W_N(\phi)\right]^2\!>$ = 0, so daß
\begin{displaymath}
F = x_0(1+\rho)^N
.
\end{displaymath} (17)

Wir haben bereits diskutiert, daß für den Fall der Handelbarkeit des Underlyings, sich dieser Preis einstellen muß da eine Abweichung davon risikolose Gewinne (Arbitrage) möglich macht. In solch einem risikolosen Fall spricht man vom ``No-Arbitrage''-Prinzip zur Preisbestimmung eines Termingeschäftes.

Im Falle von Optionen ist eine Handelsstrategie, die eine Streuungsfreie Vermögensbilanz zur Zeit $t_N$ liefert nur unter idealisierten Bedingungen möglich, auf denen z.B. der klassische Black-Scholes-Ansatz beruht.

Im allgemeinen Fall, wenn keine Hedging-Strategie $\phi^*$ mit verschwindender Varianz $<\left[\Delta_\rho W_N(\phi^*)\right]^2\!>$ = 0 möglich ist, wird der Verkäufer eine Risikoprämie $C_{\rm Risiko}$ zu dem aus der Forderung $<\!\Delta W_N\!> = 0$ bestimmten Preis $C_{\rm Erwartungswert}(\phi^*)$ addieren. Als Gesamtpreis einer Option $C_{\rm Option}$ ergibt sich dann,

\begin{displaymath}
C_{\rm Option} = C_{\rm Erwartungswert}(\phi^*) + C_{\rm Risiko}(\phi^*)
.
\end{displaymath} (18)


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Joerg_Lemm 2000-02-02